Wo fange ich jetzt nur an?
Schließlich sind Verhaltensweisen wie “S-Bahn-Surfen” und “Kids crashen fremde Autos” Lebensäußerungen, die wir Sauerländer nur aus urbanem Umfeld, schwierigen sozialen Bedingungen in menschenfeindlich organisierter Umwelt von Häuserschluchten und Beton-Unterführungen kennen. Und das auch nur aus`m Fernsehen.
Bei unseren Anfängen auf dem geländetauglichen Zweirad haben wir eigentlich gedacht, dass wir von solchen Katastrophen verschont bleiben. Wir kommen alle aus eher ländlich-provinziellem Umfeld und unsere Lebensäußerungen sind eher weniger aggressiver Natur. Dass nunmehr Finno – und glaubt mir: man kann nicht hochsauerländerischer aufwachsen als er es tat – auf offener Straße im Mendener Biebertal unbescholtene Gebrauchtwagen umnietet und bis zur Unkenntlichkeit zu Klump fährt, das hat uns die Tränen der Erschütterung in die ohnehin triefenden Augen getrieben.
Wir sind locker und ohne Hast ein paar Hundert Meter auf der Straße Richtung Lürbke gefahren – sechs wackere Radler – und plötzlich rappelt`s dumpf. Etwa so: Gufffellffff. Finno hat einen dort friedlich parkenden, unbewaffneten, Ford Ka von hinten angegriffen und eine Spur der Verwüstung an der hinteren Plastikschürze hinterlassen.
Der aus der vormittäglichen Ruhe gerissene Besitzer dieses Gefährtes blieb bei stoischer Gelassenheit. Das sei ja nur Plastik und so ganz neu sei der Wagen auch nicht mehr. Wie wahr – aber wie wäre unsere Tour verlaufen, hätte Finno einen Porsche 911 gesehen und gerammt? Oder wäre einem Jaguar E-Type der Länge nach über die 12-Zylinder-Haube gefahren, alles schließlich dankbare Opfer dieses Zweirad-Rüpels und car-crashers!
Klar, dass es auf den restlichen 20 Kilometern recht still in der ansonsten recht lebhaften Gruppe wurde. So was färbt ab – jeder für sich geht in sich und hofft insgeheim, die letzten Schlamm- und Bergmühen bis zum befreienden Weizenbier unfallfrei zu absolvieren. Auf manchem Gesicht und durchaus auch bei unnatürlichen Körperhaltungen spiegeln sich die Geschehnisse.
Der Schock saß sogar so tief, dass so manche Wegstrecke nur noch schiebend in Angriff genommen wurde:
Gut – letztlich ging alles glatt über die Bühne … es musste kein weiterer PKW dran glauben. Im Mettgenpin wurde Finno dann ruhiger. Trotzdem bleibt der bittere Beigeschmack, wie soll das alles weiter gehen? Beruhigend ist alleine die Tatsache, dass wir uns in der Gruppe dann einig waren, die recycelbaren Reste des Ford Ka nicht über das Internet, sondern – ganz klassisch – über den örtlichen Einzelhandel feil zu bieten. Karl, beim Verschachern immer schnell dabei, bot uneigennützig umgehend seine Hemeraner Filiale der Kette “Karl kauft Alles” zum Zwecke der Ausstellung im Schaufenster an. Sollte also ein geneigter Leser dringend Ersatzteile suchen – hier wird er möglicherweise fündig:
Unsere gesamte heutige Tour wird bei komoot.de hier wieder gut abgebildet. War eine anständige Km-Leistung und eine vergnügsame Tour war es ohnehin!
Den Skifahrern schöne Osterferien – die anderen sehen sich nächsten Sonntag, oder auch Mittwoch am Bierglas…
Lutz
… Finno gräm Dich `bitte nicht, Du weißt ja, Erstklässler können sooo gemeiiiin sein ! Matthias
Oh Gott, was für ein Sonntag.
Einerseits bin ich traurig, dass ich diesen tragischen Trip nicht hautnah miterleben durfte, andererseits bin ich ganz froh, nicht mit Blinden, Tauben und Stummen unterwegs gewesen zu sein. Daher die Frage: Wer ist denn nun der wahre Blinde in der Truppe?
Ist es nicht jener Pedalquäler, der uns umlängst bei einer Irrfahrt durch dunkle Täler führte in der noch Menschen in Fellen (für uns) zu sehen waren? Mussten wir nicht schon aufmerksam werden, als Finno am vorletzten Sonntag quasi blind nach Hemer radelte, obwohl Lutz in Großbuchstaben an dieser Stelle den Treffpunkt Iserlohn angekündigt hatte? Hätten wir mit diesem Hintergrundwissen den
Ford K nicht vor Finno retten können, indem wir viel früher klare Regeln und Statuten hätten aufstellen müssen?
So hätte § 28, Abs 1, Schublade 3, Fach 4, den armen Wagen gerettet. Dort heiß es unmissverständlich: “Blinde und taube Pedalritter bleiben während der sonntäglichen Ausfahrten mit den Opas und dem Dackel ruhig am Stammtisch im Vereinslokal sitzen. Dort warten sie auf die Helden der Wälder und spenden bei deren Rückkehr einen kurzen, aber kräftigen Applaus.”
Kurzum, wir brauchen Regeln, wir brauchen Statuten. So bin ich Lutz auch dankbar für das Video, das er eingestellt hat. Zur Ehrrettung unserer noch lockeren Vereinigung müsste der Streifen aber aus dem www umgehend gelöscht werden. Zeigt er doch Mountainbiker, die auf einer autobahnähnlichen Piste wegen drei querliegender Äste ihre hochgezüchteten Vollblutrahmen s c h i e b e n.
Ja, s c h i e b e n! Hätten wir bereits frühzeitig durch Beschluss nach vier Bier § 11, Abzweig 3, Verästelung 12 aktiviert, dann wären uns solche Bilder erspart geblieben. Dort heißt es:
Abgestiegen wird erst dann, wenn die Rille glüht oder der Tourchef es befiehlt.”
Liebe Feunde, ich muss Euch gestehen, dass ich äußerst besorgt bin, Euch in den Osterferien so regellos und flatterhaft hier in unseren schönen Bergen zurücklassen zu müssen. Ich kann nur hoffen, dass ihr auf Eurer Ausfahrt am kommenden Wochenende Augen und Ohren besonders gut aufhaltet, um ähnliche Vorfälle zu verhindern. Wir sind bereits unter Beobachtung.
Ich werde, und das kann ich Euch versprechen, in meinem Urlaub in Österreich ein umfangreiches Regelwerk für geordnete Ausfahren zusammenstellen und Euch unterbreiten. Denn wenn wir so undiszipliniert weitermachen, und davon bin ich fest überzeugt, kommen wir auf der Wilden Wiese nie an.
Es grüßt Euch
Andi auf Cubi Blue