Wo die Kunst die radelnde Gesellschaft in zwei Klassen teilt

Schon 1951 hat der französische Künstler Marcel Duchamp mit seinem Werk “Bicycle wheel” die späteren Verwerfungen eindrucksvoll beschrieben, die 70 Jahre später hin und wieder in der Heldentruppe thematisiert werden. Wer sich Hocker, Rad und Schippe emotional nähern möchte, der muss ins New Yorker Museum of Modern Art reisen.                                                                                                                                        Foto: A. Reitmajer

 

Am Hudsonriver sind die Rennfahrer auf allen Trassen unterwegs.

Von unserem Korrespondenten Andreas Reitmajer

New York. Dass sich die Welt in New York schneller dreht als an jedem anderen Ort auf der Welt mag gefühlt der Wahrheit entsprechen. Die Stadt, die laut Frank Sinatra niemals schläft, ist ein riesiger Rummelplatz. Durchschnitten von eilenden Menschen auf planen Ameisenstraßen. Daneben drängen sich dicht an dicht fette Autos und Busse, deren Räder sich allerdings im Zeitlupentempo drehen. Der Big Apple ist ein einziger Stau in Häuserschluchten, durch den sich Biker und Skater lebensmüde winden. Ja, es gibt auch Fahrradwege.  Allerdings hat man sich hier noch nicht so recht darauf geeinigt, wem denn nun die paar Quadratmeter autofreies Pflaster gehören.  Da bedarf es schon einer klaren Beschilderung, die  auch nichts nutzt. Immer wieder rasen Räder auf dem Gehweg an einem vorbei oder aber Fußgänger hindern Radler am freien Tritt in die Pedalen.

Ruhiger, weniger sportlich aber dafür hochgeistig geht es im Museum of Modern Art (MoMA) zu, wo neben den vielen künstlerischen Ergüssen auch das Rad eine Rolle spielt. Schon 1951 hat der Künstler Marcel Duchamp Hocker, Rad und Schippe in eindrucksvoller Weise in Szene gesetzt und damit ausgedrückt, was Helden der Neuzeit fühlen und zu verarbeiten haben. So ist der Schritt runter vom Hocker (oder auch vom Sofa) und rauf aufs Rad gerade in der bevorstehenden Winterszeit oft eine Überwindung. Dennoch hat Duchamp in seiner hoch emotionalen Installation das Rad über den Hocker gestellt und damit eine klare Bewertung für das Bike – also für die Bewegung an frischer Luft – abgegeben. Über Rad und Hocker fällt das Auge des Betrachters dann unweigerlich auf die sich drehende Schippe, die wie ein Damoklesschwert über der einmal getroffenen Entscheidung für die sportlich Ausfahrt schwebt. Mit ihr bringt der Künstler neben dem Kampf gegen die menschliche Schwäche von Trägheit und sofala Liegendhaltung ganz prägnant den zeitlichen Aspekt des Handlungsstranges ins Spiel. Übersetzt in die Gegenwart bedeutet das:

Selbst wenn der Hocker gedanklich verlassen wurde um den Kampf gegen Berg und Tal aufzunehmen, so fehlt dem arbeitstätigen Helden dennoch die Zeit. Denn vor dem Vergnügen muss er zunächst einmal an die Schippe, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Einfacher haben es natürlich alle Früh-, Spät- oder auch wie immer Rentner, die schon um 17 Uhr oder auch den ganzen Tag über direkt vom Hocker aufs Rad hüpfen können, um vergnügt durch Feld und Wald zu radeln.

Prägnanter hätte der Künstler den Riss durch die radelnde Gesellschaft nicht darstellen können. Wagemutig wird in New York präsentiert, was für immer zeitlos und nutzlos bleibt und den Betrachter damit atemlos zurücklässt.

Sollten wir jemals ein Vereinsheim besitzen, so gehört dieses Kunstwerk dort hinein… (wir könnten es aber auch sicherlich ganz einfach nachbauen).

 

 

Ein Gedanke zu “Wo die Kunst die radelnde Gesellschaft in zwei Klassen teilt

  1. Herr Direktor! Seit wann können wir uns Korrespondenten in Amiland leisten? Da werden unsere mühevoll erfahrenen Siegerprämien verpulvert, wo doch schon seit einem Jahr das Thema an dieser Stelle hinreichend besprochen wurde. Da braucht man auch keine französischen Künstler, die pseudocyliclisch irgendwelche Schrotteile zusammenlöten. Das Zauberwort heißt Reiseantrittswiderstand!
    Und davon spürt der Korrespondent an diesem Sonntag offensixhtlich auch wieder allerhand!

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