wenn man auf der Rolle sitzt und sich schöne Gedanken von steilen Bergen, zitternden Beinen und tollkühnen Abfahrten macht, dabei aber bei einem Pulsschlag von 100 – 120 locker trampelt und trotzdem ölt wie der Kreter, das erzähle ich Euch besser nicht. Immerhin schmeckt das Bier hinterher, was den Trainingszustand aber nicht unbedingt verbessert. Wenn es also dem Club mal nach einer Flachetappe mit gedrosseltem Tempo ist, dann wäre ich über eine Information und Mitnahme dankbar.
Schließlich sind selbst mit 66 Jahren noch Starts für eine hoffnungsvolle Radfahrer-Karriere möglich, wie der Finno – gepriesen sei seine, wenn auch erst digitale, Rückkehr – anschaulich mit dem Spiegel-Artikel beweist. Mein Fitnesszustand war ja bis Anfang Juli recht passabel, so dass da noch Manches möglich scheint, nur bei derartigem Bartwuchs werde ich wohl versagen.
Ja, was einem so alles passieren kann, das glaubt man garnicht Das ist ein bisschen wie mit der Hirschkuh in der ZEIT:
Wie es wirklich ist …
… mit einer Hirschkuh zu kollidieren
Als ich mich im Krankenhaus im Spiegel gesehen habe, mit der krummen Nase, da dachte ich: Das wird so schnell nicht wieder! Ich hatte überall Brüche – Halswirbel, Brustbein, drei Rippen, die Nase, das Jochbein. Nach 24 Stunden Intensivstation sah mein Gesicht aber schon wieder besser aus, und jetzt sieht man fast nichts mehr. Nur husten und lachen darf ich nicht. Dann tut es weh.
Es war Muttertag, 9. Mai, der erste Tag, an dem es warm war. Ich bin seit über 20 Jahren Triathlet, trainiere Radfahren, Schwimmen und Laufen. An dem Tag war eine Radeinheit mit meinem Freund dran. Wir wollten so um die 100 Kilometer im Naturpark Südharz fahren. Allerdings waren auch viele Motorradfahrer unterwegs, und ich war ständig unter Druck. Die fuhren teilweise sehr nah an mich ran. Man hört die ja, wenn die von hinten kommen, und ist schon nicht mehr entspannt. Deshalb bin ich sehr verhalten die etwa sechs Kilometer den Berg runtergefahren. Mein Freund war schon unten und hat das alles garnicht mitbekommen.
Dann kam plötzlich, auf einem geraden Stück, diese Hirschkuh von rechts über die Straße gelaufen. Ich dachte nur: Schmerzen, gleich tut’s weh. Und dann war es auch schon so weit. Ich kann mich an jedes Detail erinnern. Der Unfallverlauf wurde anhand meiner Verletzungen rekonstruiert. Ich hatte keine Chance auszuweichen und bin frontal gegen die Hirschkuh gefahren. 59,6 km/h war die Aufprallgeschwindigkeit, ich messe das ja alles. Wenn das ein Auto gewesen wäre, wäre ich jetzt wohl tot. Ich muss mit meinem Oberkörper auf den Lenker geknallt und dann über mein Rad und über die Hirschkuh auf die Straße geflogen sein. Im Augenwinkel habe ich sie noch gesehen, als ich auf dem Boden lag. Sie zappelte kurz an der Leitplanke, stand dann aber auf und lief weg.
Mein Freund kennt mich, wir sind Tausende Kilometer gefahren, der weiß: Ah, der Burki, der fährt jetzt bisschen langsamer. Aber irgendwann muss er sich gedacht haben: So langsam fährt er nun auch nicht. Dann ist er wieder hoch. Da war ich aber schon gut versorgt. Die beiden Frauen, die angehalten haben, waren wirklich unglaublich. Ich hab geblutet wie ein Schwein, aber das war denen komplett egal, die waren nachher selbst vollkommen blutverschmiert, haben mich von der Straße gezogen, mir was zu trinken angeboten, die Erste-Hilfe-Kiste ausgepackt, mir Mut zugesprochen, mich angelogen und gesagt, ich sähe toll aus.
Der Unfall ist abgehakt. Sobald es geht, setz ich mich wieder aufs Rad. Klar, ich werde nicht mehr ganz so entspannt die Berge runterfahren. Aber ich bin naturverbunden, lebe direkt am Wald und mag Tiere. Das war halt einfach Pech, dass wir da beide zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren, diese Hirschkuh und ich.
Mögen der Schrifttumsverwalter und seine Angetraute die Kollision mit einer Hirschkuh vermeiden und den bald anstehenden Festtag angemessen begehen, wobei ja bei abnehmender Geschwindigkeit die möglichen Verletzungsfolgen exponentiell sinken sollen, so dass die Gefahr überschaubar sein sollte.
Lustig oder tragisch ist aber auch, was einem schon so alles passiert ist, ohne bisher was davon zu merken. Wenn man das dann aber weiß, dann nimmt die Gefahr – selbst bei absolut verringerter Geschwindigkeit und Anstrengung – exponentiell zu, mathematisch wie philosophisch absurd aber durchaus die Lebenswirklichkeit und gesellschaftlich breit unterstützt!
Was ist denn jetzt eigentlich der Sinn dieses Textes? Das weiß man ja hier ohnehin selten, ist auch in diesem Fall zweifelhaft. Immerhin haben wir ein bisschen über die Hirschkuh im allgemeinen etwas gelernt. Vielleicht, sogar wahrscheinlich, hätte Albert Camus als Denker des Absurden dazu noch eine Idee, aber der denkt ja leider auch nicht mehr.
Sollen wir einfach heute Abend ein Bier zusammen trinken?
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Schöne Grüße
Josef
Von unterwegs